Madeleine Schröder Afromaxx

Afromaxx Rückblick – so fing alles an!

Lockender Kilimandscharo

Warum ein Architektenpaar aus Erfurt ein Camp für  Rucksack-Touristen in Tansania plant
Sie sitzen auf gepackten Koffern. In spätestens acht Wochen fliegen Alexander Jatho und Madeleine Schröder nach Afrika. Am Fuße des Kilimandscharo wollen die Thüringer Architekten ein Bungalowdorf für Rucksack-Touristen entstehen lassen mit gespartem Geld, einem Grundstück und den Ideen eines Klassikers.

Warum der Leopard auf dem Gipfel erfroren ist? Alexander Jatho zuckt mit den Schultern: Ernest Hemingway ließ die Frage in seiner berühmten Erzählung Schnee auf dem Kilimandscharo ungeklärt. Auch der Film mit Gregory Peck, Ava Gardner und Hildegard Knef gibt keine Antwort. Sie ist auch nicht von Belang. Ist es nicht genug, dass die Geschichte zu Herzen geht? In ein paar Wochen begibt sich Alexander Jatho mit seiner Partnerin Madeleine Schröder in die Region am Kilimandscharo, die sich Millionen Menschen so tief eingeprägt hat. Für den 32 Jahre alten Architekten aus Urbach bei Mühlhausen ist es indes eine Spurensuche: nach dem Vater, dem Vater-Land und einem beruflichen Vorbild. Der Mann hat eine ganz besondere Beziehung zu Afrika, damit hängt vieles zusammen. Als seine Mutter in den 70er-Jahren in Halle studierte, lernte sie einen Medizinstudenten aus dem damaligen Bruderland Tansania kennen. Bis zur Approbation blieb Philip Nguma in der DDR. Da war Alexander fünf Jahre alt. Fortan wuchs er in Urbach auf. Obwohl die DDR die angebliche Freundschaft mit Tansania immer wieder pries, gab es keine Chance, je den Vater zu besuchen. Bis zum Mauerfall blieb das Land der Usambaraveilchen ein süßer Traum. Dann wurde ein neuer Kontakt zum Vater geknüpft. 1993 gab es den ersten Besuch.

Vier lange Aufenthalte sind es inzwischen gewesen. Mit jeder Reise entdecke ich mehr von mir, erzählt Alexander Jatho. Jetzt will ich endlich wissen, wie viel Afrika in mir ist. Damit das gelingt, hat der junge Architekt, der bereits für die Bauhütte im Kloster Volkenroda am Aufbau des Christuspavillons beteiligt war, zusammen mit seiner Freundin einen ehrgeizigen Plan ersonnen. Rund 30 Kilometer von dem fast 6000 Meter hohen Bergmassiv des Kilimandscharo entfernt haben Dr. Nguma ( der in dieser Grenzregion ein angesehener Mann ist ( und sein erstgeborener Sohn Alexander ein Stück Land erworben: Es sind 3000 Quadratmeter mit einem atemberaubenden Blick auf den höchsten Berg Afrikas. Dass damit Rechte und Verpflichtungen einhergehen, wissen Madeleine und Alexander. Man trägt Sorge für die Familie und für das Land. Behutsam wollen sie sich darum in den Tourismus einbringen. Viele Deutsche mögen Tansania. Klar, es war früher deutsche Kolonie, sagt Alexander nüchtern, irgendwie hat sich das eingeprägt. Nur ein paar Meilen weiter liege die Farm von Hardy Krüger, der über seine Erlebnisse am Äquator ein Buch
geschrieben habe. Derzeit tourt er mit Lesungen durch Deutschland. Eine bessere Werbung können sich die beiden gar nicht wünschen. Außerdem ist Tansania, das jahrelang im Schatten Kenias lag, eines der sichersten und begehrtesten Reiseziele in Ostafrika, ergänzt Madeleine.

Am Modell erklärt die 26-jährige Studentin aus Stadtilm die geplante Unterkunft für Rucksack-Touristen. Zwölf Bungalows, eine Campingfläche und ein zentrales Gebäude mit Sanitärbereich sollen entstehen. Ihre Kalkulation für die Anlage liegt unter 10 000 Euro: Wir wollen das Projekt nicht nur als Architekten begleiten, sondern selbst bauen. Dass das nicht einfach wird, dessen ist sich Madeleine bewusst: Aber da helfen bestimmt die fünf Cousins von Alexander.  Das Camp soll keine Luxusfarm werden. Gekühlt wird mit solargetriebenen Pumpen, gebaut wird mit Lehm in traditioneller Bauweise. Der Stil orientiert sich dabei an Vorbildern aus der Nachbarschaft. Ein gutes Dutzend Häuser des Architekten Ernst May, der 1934 von der Sowjetunion aus nach Tansania emigrierte, sind in der Provinzstadt Moshi gebaut worden. Vor mehr als 50 Jahren freilich, weshalb der Zustand mitunter erschütternd ist. Alexander hat bei seinen Reisen die Gebäude dokumentiert: Die Mischung aus Bauhaus und klassischer Moderne ist faszinierend. Im Herbst sollen die ersten Gäste anreisen können. Genau da fängt der zweite Teil des Plans an.

Das Thüringer Paar will Touristen eigene Wanderrouten anbieten, begleiten und vielleicht ganze Reisen planen. Wieweit sich dann das Projekt zu einer Hotelanlage ausbauen lässt, vermag Alexander Jatho noch nicht zu sagen: Wir sehen uns nicht als klassische Aufbauhelfer. Und wir konnten unsere Vorstellungen auch nicht mit einer Hilfsorganisation verwirklichen. Für Madeleine, die sich zwar ungeheuer auf den Aufenthalt freut, steht aber schon jetzt fest: In spätestens einem Jahr soll es einen Urlaub in Deutschland geben.  Was aber ist, wenn die Touristen ausbleiben? Dann haben wir zumindest ein Domizil in meiner zweiten Heimat, sagt Alexander. Dann könne er je ein halbes Jahr in Europa und in Afrika arbeiten. In den kommenden Wochen bis zum Abflug im März ist hingegen eine ganz andere Form der Ausdauer gefragt. Madeleine wird ihre Diplomarbeit an der Fachhochschule Erfurt schreiben. Die Abschlussexamen sind zu absolvieren. Die Vorbereitungen für die Reise sind trotz der langfristigen Planung manchmal erschöpfend, sagt Alexander. Gerade in derartigen Momenten hoffe er, dass er in Afrika so etwas wie Ruhe, ja möglicherweise auch Langmut finde: Dann entschlüsselt sich für ihn vielleicht auch das Rätsel um das Gerippe des Leoparden, hoch oben auf dem Kilimandscharo. Von Karsten JAUCH

Thüringer Allgemeine vom 10.01.04
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