In vielen Nationalparks im Süden Afrikas kommt dem Gnu nur eine Statistenrolle zu. Es steht meist mit Zebras irgendwo herum und isst Gras. Meinungsäußerungen wie „schön“ oder gar „niedlich“ wird man über Gnus fast nie zu hören bekommen. Und dennoch gibt es nicht viele Tiere, die so sehr eines zweiten und dritten Blickes wert sind wie die Gnus.
Die große Migration
Im englischsprachigen Raum Wildebeest genannt, kennt man sie in Tanzania unter dem Namen Nyumbu. Und hier in Tansania sowie im benachbarten Kenia laufen die Gnus zur Hochform aus. Das anderswo eher standorttreue Tier aus der Gruppe der Kuhantilopen begibt sich hier nämlich alljährlich auf einer der größten Tierwanderungen, die diese Welt kennt. Oder anders gesagt – Gnus sind in der Serengeti und der Maasai Mara eigentlich ständig unterwegs.
Es ist nicht die größte und auch nicht die längste Tierwanderung in der Welt – aber mit Sicherheit die bekannteste. Jahr für Jahr laufen etwa 1,3 bis 1,5 Millionen Gnus und einige hunderttausend Zebras und Gazellen durch die endlos erscheinenden Steppen, immer auf der Suche nach Weidegründen. Mit dieser Endlosschleife geben sie der Natur genug Zeit, sich wieder zu erholen und im kommenden Jahr den Tieren erneut Nahrung zu geben.
Vom ersten Tag auf den Beinen
Das Serengeti-Weißbartgnu ist eine von fünf Gnuarten und mit etwa 1,3 Millionen Tieren die mit Abstand zahlreichste Vertreter dieser Gattung. Es wird bis zu zwei Meter lang und um die 250 Kilogramm schwer, hat bis zu 80 Zentimeter lange Hörner, kann um die 18 Jahre alte werden und ist ein reiner Vegetarier. Die Tragezeit beträgt etwa 8,5 Monate, bevor ein Kalb zur Welt kommt, das etwa ein halbes Jahr gesäugt wird. Und keine leichte Kindheit hat, denn ihm bleibt nichts anderes übrig, als der Herde auf der großen Wanderung zu folgen, kaum dass es das Licht der Welt erblickt hat.
Wer langsam geht, hält länger durch
Wer schon einmal Gnus gesehen hat, wird vielleicht gemerkt haben, dass sie auch in größter Hitze unterwegs sind. Es ist ihnen aufgrund einer ganz besonderen Anpassung möglich, die eine Forschergruppe Alan Wilson vom Royal Veterinary College der University of London im südlichen Afrika bei Streifengnus erforscht hat. Sie fanden erstaunliches über die Energieeffizient der Tiere heraus. Während Kühe 41,8 Prozent der Energie in Bewegung umsetzen, bringen es die Gnu-Muskeln auf 62,6 Prozent. Das heißt im Umkehrschluss, dass die Gnus, vor allem aufgrund ihrer langsamen Bewegungen und langen Schritte, viel weniger Eigenwärme produzieren, so dass sie sogar noch bei 38 Grad Celsius mobil sein können. Was die Energieeffizienz von Tiermuskeln angeht, kann nur die Schildkröte mit den Gnus mithalten.
Selten im Schatten
Selbstverständlich verachten auch Gnus nicht den kühlenden Schatten eines Baumes. Aber während sich Raubtiere während der Tageshitze daraus so gut wie nie hervor begeben, kann das Gnu in aller Seelenruhe seinen Hunger stillen. Oder eine Wasserstelle aufsuchen. Was sie aufgrund ihrer speziellen Anpassung auch seltener tun müssen als andere Tiere, die sich einer so kräftezehrenden Dauerwanderung unterziehen, denn die geringere Wärmeerzeugung bedeutet auch eine geringere Verdunstung. Faszinierend, nicht wahr?
Rasten die Gnus dann doch einmal tagsüber, gleiches gilt auch für die Nachtruhe, dann legen sie sich meist Rücken an Rücken, um ein größeres Gebiet überwachen zu können. Zwischen den Gnu-Gruppen bleibt auch immer genug Platz, damit Artgenossen hindurchziehen können. Diese Formation erleichtert auch die Flucht, sollten irgendwo Räuber auftauchen, ohne das gleich ein riesiges Chaos entsteht. Auf der Flucht kann das sonst so gemächliche Tier übrigens bis zu 80 km/h schnell werden.
Sollten Sie das nächste (oder das erste) Mal Gnus begegnen, nehmen Sie sich vielleicht doch etwas mehr Zeit, diese faszinierenden Tiere zu betrachten. Sie werden entdecken, dass sie auf ihre ganz spezielle Art schön sind.