uhfladen-Tansania

Kuhfladen für die Serengeti-Vielfalt

Millionen von Tieren, Gras, Bäume, Sträucher so weit das Auge reicht. Wer einmal durch die schier endlosen Ebenen der Serengeti gereist ist, wird sich kaum vorstellen können, dass diese faszinierende Naturlandschaft auf den Einfluss von Menschen zurückzuführen ist. Auf den positiven Einfluss von Menschen, muss hier bemerkt werden. Denn die Region, rund um den bekanntesten tansanischen Nationalpark und seinen kenianischen Nachbarn, die Maasai Mara, gilt auch als Wiege der Menschheit. Was bedeutet, dass Menschen hier schon lange Zeit nicht nur ihre Fußabdrücke hinterlassen haben.

Fiona Marshall von der of Washington-Universität in St Louis hat mit weiteren Wissenschaftlern über mehrere Jahre umfassende Untersuchungen in der Serengeti vorgenommen, deren aktuellste Ergebnisse in diesem Jahr veröffentlicht wurden. Und sie haben eindeutige Beweise dafür gefunden, dass die Fruchtbarkeit und Vielfalt dieser Region auch auf den Einfluss von Menschen zurückzuführen ist. Genauer gesagt, auf die Hinterlassenschaften der Viehherden, mit denen sie durch die Savannen Ostafrikas gezogen sind.

Bei Grabungen unter der Grasnabe stießen die Forscher in etwa einem Meter Tiefe auf ein Band aus Dung. Der, so ergaben Untersuchungen, ist zwischen 1550 und 3700 Jahren alt. Und enthält auch nach dieser langen Zeit noch einen hohen Anteil an wichtigen Nährstoffen und Mineralien, wie zum Beispiel Phosphor, Stickstoff, Magnesium und Kalzium. Dass die Beweidung und die damit einhergehende Düngung des Bodens eine wichtige Rolle für die Savannen spielt, haben Ökologen schon lange erkannt. Bisher war man aber davon ausgegangen, dass solche Effekte maximal bis 1000 Jahre anhalten. Den Nachweis, dass die Hinterlassenschaften auch weit über 3000 Jahre später immer noch messbaren Einfluss auf ein Ökosystem haben, verdankt die Wissenschaft nun dem Team um Fiona Marshall.

Und nicht nur dass. Bis auf 5000 Jahre zurück datierten die Forscher die Funde, die belegen, dass so lange schon Hirtenvölker in der Serengeti lebten, die ähnlich wie die Maasai heute ihre Tiere Nachts einpferchten, was für die Anreicherung des Naturdüngers an vielen Stellen sorgte. Diese quasi auf Kuhfladen zurückzuführenden Inseln der Fruchtbarkeit sind ein wichtiger Bestandteil der Artenvielfalt in der Serengeti – und nicht nur dort, wie ähnliche Untersuchungen zum Beispiel im Amazonas-Gebiet belegen.

Auch heute können Nomaden noch positiven Einfluss auf Naturgebiete haben, aber nur, wenn sie tatsächlich aktiv umherziehen. Das Verbleiben am gleichen Ort für mehrere Wochen führt unmittelbar zu Überweisung und Nährstoffmangel, haben Serengeti-Experten nachgewiesen. Den Beweis, dass der Einfluss tatsächlich messbar ist, haben die Wissenschaftler um Fiona Marshall erbracht. Im Vergleich zu Flächen, auf denen es keine Dungbänder gibt, ist der Nährstoffgehalt auf den alten „Oasen“ um das zehn bis zehntausendfache größer. “Unsere Ergebnisse zeigen, dass afrikanische Savannen, die als ‘unberührte’, Jahrmillionen alte Lebensräume angesehen werden, durch die Ausbreitung der frühesten Hirten eine größere biologische Vielfalt aufweisen”, sagt Fiona Marshall von der Washington University in St. Louis.

Und noch etwas haben die Forscher bei ihren Untersuchungen hier in Ostafrika herausgefunden. Nämlich dass bereits vor etwa 5000 Jahren Menschen hier Milch getrunken haben. Das ist insofern bemerkenswert, da der Mensch – wie alle anderen Lebewesen – ursprünglich nicht in der Lage war, als Erwachsener Milch zu trinken. Nach Ausgrabungen von Keramik an Orten in ganz Ostafrika analysierten Teammitglieder um Katherine M. Grillo, Anthropologin der Universität Florida, organische Lipidrückstände, die in der Keramik zurückblieben, und konnten Hinweise auf Milch-, Fleisch- und Pflanzenverarbeitung erkennen. Das sei “der erste direkte Nachweis, den wir je für die Milch- oder Pflanzenverarbeitung durch alte Hirtengesellschaften in Ostafrika hatten”, sagte Grillo. Und ihre Wissenschaftskollegin Fiona Marshall ergänzt: “Die Milchspuren in alten Töpfen bestätigen die Geschichte, die uns Knochen darüber erzählen, wie die Hirten vor 5.000 bis 3.000 Jahren in Ostafrika lebten – ein Gebiet, das immer noch für die Viehzucht und die historische Lebensweise von Menschen wie den Massai und Turkana berühmt ist”.

Vor allem in Ostafrika gibt es ausgeprägte genetische Grundlagen für die Laktasepersistenz, die sich von anderen Teilen der Welt unterscheiden. Genetiker glaubten, dass sich diese Fähigkeit, Milch zu verdauen, in Nordostafrika vor etwa 5.000 Jahren entwickelt hat, aber Archäologen wussten nur wenig über die archäologischen Zusammenhänge, in denen diese Entwicklung stattfand. Diese Forschung zeigt nun zum ersten Mal, dass Hirten, die sich auf Rinder spezialisiert hatten – im Gegensatz zur Jagd auf die reichlich vorhandenen Wildtiere der Mara Serengeti – mit Sicherheit Milch tranken.