Reisebericht Kilimanjaro

17.August 2005 Ankunft in Tansania

Gerade bin ich angekommen, am Kilimanjaro Airport, in Tansania, Afrika. Der Flug mit der Fluggesellschaft Conder war in Ordnung.
Mein Gepäck ( 17kg + 8 kg Handgepäck ) und ich werden von Alexander, von AFROMAXX mit dem Minibus am Kilimanjaro-Flughafen abgeholt. Im Flugzeug, unwissend, aber schon an Bord, waren meine neuen Freunde und Teamkameraden, das sind Bert, Annett und Veit.

Sich auf Afrika einlassen

Ich sitze im Minibus, bin noch nicht richtig wach um zu kommunizieren, weil ich noch im Halbschlaf bin, denn ich hatte gerade noch tief im Flugzeug geschlafen. Alle Anwesenden machen einen netten Eindruck. Normalerweise habe ich immer einen Kulturschock, wenn ich aus einem Flugzeug steige, aber da ich gerade nur deutsch rede, wie auch wahrscheinlich den ganzen Urlaub über deutsch reden werde, fällt es mir schwer mich auf Afrika einzulassen. Ich blicke aus dem Fenster des Minibuses und sehe die fremde Landschaft, ich suche den Kilimanjaro, der Grund warum ich hier bin, aber ich kann ihn nicht finden. Er schläft wahrscheinlich auch noch und versteckt sich hinter den Wolken. Die Umgebung macht einen trockenen, flachen und einsamen Eindruck. Hier und da steht eine Hütte, sonst sieht man Felder mit trockenem Mais oder mit Sonnenblumen, ebenso trocken. Manchmal sehe ich einen Bewohner bunt gekleidet, in kitschigen Farben, oder aber Schüler in blauen braven Uniformen. Es ist schließlich noch früh am Morgen.

Bevor das Abendteuer beginnen kann, ruhen, wir uns alle erst einmal in unserem neuen Zuhause aus. “Rose Home”, heißt die einfache Unterkunft, ich gebe zu, ich erwartete eine Afrika-Lodge, wie man sie aus Filmen kennt, mit Tierfellen, Möbel aus Holz und einem paradiesischen Swimmingpool. Aber, dieses kann ich in dieser Preisklasse nicht erwarten. Also bleibt mir nichts anderes übrig, wie auch auf meinen bisherigen Asien-Reisen, in so einer Art Backpacking-Hostel zu nächtigen und mein Bad mit Monsterameisen teilen zu müssen. Aber ich werde die Unterkunft nach meinen Wanderungen zu schätzen wissen, da bin ich mir jetzt schon sicher. Ich schlafe bis 12 Uhr und treffe mich dann mit meinem Team. Annett (26) und Veit (32), die hier ihre Flitterwochen verbringen und Bert (40), der im Flugzeug schon in der gleichen Reihe wie ich saß, waren mir von Anfang an sympathisch. Ich bin froh darüber. Wir haben den Tag noch zur freien Verfügung und können zusammen “Moshi”, eine kleine gemütliche Stadt am Fuße des Kilimanjaros, erkundschaften. Ich hatte auch hier ganz andere Erwartungen. Die Stadt wirkte auf mich schmutzig und unfreundlich, aber vielleicht müsste ich nur etwas länger hier bleiben. Wir suchen uns ein Restaurant und lernen uns beim Essen kennen, kaufen in Souvenirläden Postkarten und trinken einen Kaffee in einem abgelegenen Hinterhof. Abends im Rose Home haben wir eine Besprechung über unseren kommenden Trip auf dem Mount Meru, welcher mir als Akklimatisation für die Besteigung auf dem Kilimanjaro dienen sollte.

Ich habe einen ungeheueren Informationsdurst, wie die Tour wohl ablaufen wird, wie das mit dem Trinkwasser ist, den Pausen und der Ausrüstung. Alexander beruhigte mich zwar, dass es alles von alleine laufe und ich mir keine Sorgen machen müsse. Da er aber selbst noch nie die Tour gelaufen ist, zweifle ich etwas an seinem Worte und muss wohl die Tatsache akzeptieren, dass ich bei einer Lowbudget-Reiseagentur buchte. Ich las viel von Kilimanjaro Besteigungen im Internet und wollte nun Näheres über das Gelesene erfahren. So wollte ich z.B. mehr über tragbare Sauerstoffzelte wissen, falls jemand wegen der Höhenkrankheit in lebensgefährliche Gefahr kommt. Lag da aber völlig falsch und werde nicht damit rechnen können. Inwiefern dieses Sauerstoffzelt notwendig und empfehlenswert ist, kann ich nicht abschätzen und muss wohl einfach AFROMAXX bzw. auf mein Glück vertrauen. Auch eine Schulung über Rettungen und Höhenkrankheiten hätte ich mir etwas detaillierter vorgestellt. Ich bin etwas nervös. Was mir auch noch Sorge bereitet, ist die Aussage, dass der Mount Meru zwar nicht höher, aber technisch und körperlich schwieriger ist, als der Kilimanjaro und daas mich ein 16 Stunden langer Marsch erwartet! Eigentlich hatte ich mir die Mount Meru Tour als gemütliches Wandern vorgestellt, ohne große Herausforderung. Der Berg soll mich doch nicht schwächen, sondern mich langsam auf den Kilimanjaro vorbereiten. Davon erfährt man natürlich vorher nichts.
Vor dem Schlafen packe ich noch bis spät in die Nacht meine Taschen. Das ist mein Tagesgepäck, mein Seesack und eine Tasche, für Sachen, die ich auf dem Trip nicht brauchen werde, sondern die für den Kilimanjaro oder für danach vorgesehen waren. Diese Sachen kann ich hier in der Garage einsperren lassen. Das Packen ist nicht so einfach: Wie viel Paar Schuhe brauche ich? Wie kalt, wie warm, wie nass wird es werden? Und wie viel Wasserflaschen brauche ich? Dann werde ich noch eine Lunchbox bekommen, eine Plastikschachtel mit dem Vesper für die Mittagspause auf dem Meru. Wie soll die noch in meinen Tagesrucksack passen?

 

18.August 2005 1.Tag Mirakamba Hut

Der Wecker, den ich mir im Flugzeug für 10 Euro gekauft habe, weckt mich um 8 Uhr. Es folgt ein super tolles Frühstück, mit Toast, Butter, Marmelade, Wurst, Käse, Obstsalat, Orangensaft und Kaffee. Nun lerne ich die nette und hübsche Freundin von Alex kennen, Madeleine, die zweite Hälfte von AFROMAXX. Sie wünscht uns viel Erfolg, während unser Bus mit unserem Gepäck beladen wird. Pünktlich um 9 Uhr geht’s los.

Wir fahren auf gut befahrbaren und leeren Straßen, später auf einer Schotterpiste, bis wir an eine Schranke kommen. Nationalpark-Rangers fangen mit unserem Fahrer, der mit dem Dokument in seiner Hand herumwedelt, zu diskutieren an, wir wissen nicht, um was es geht, steigen aus und gehen spazieren. An dem Wachhaus hängt an einer Schnur eine Gepäckwaage. Aus Neugierde befestige ich meine Sachen an den Haken und freue mich über das optimale Gewicht. Mein Tagesrucksack wiegt 6 kg und meine große Tasche 12 kg. Die große Tasche, einen Seesack, werde ich zum Glück nicht selbst tragen müssen. Es wird Zeit, das Team nun vorzustellen: Also, da wären erst mal wir vier Touristen, der Koch Heaven, Dennis und Williams, der deutsch sprechende Verwandte von Alexander. Anders als beim Kili, wird uns ein Ranger vom Nationalpark begleiten müssen. Dieser gewehrbewaffnete Ranger ist somit auch unser 1st Guide, der das Sagen hat und uns vor Büffeln beschützen kann.

Wir warten immer noch voller Spannung darauf, dass es weiter geht. Hier steht ein super Plastikmodell des Mount Merus in einem Schaukasten, wir studieren unsere Route und ich sehe zum ersten Mal den kantigen, gefährlich aussehenden Berg. Der Mount Meru besteht aus einem Kraterkegel in der Mitte und einer äußeren Kraterwand, die den inneren Krater umgibt. Den höchsten Punkt mit 4562 m dieser Kraterwand, gilt es zu besteigen. Im Hintergrund sehen wir noch den “Little Meru” mit 3820m, auch diesen Berg werden wir im Laufe der nächsten 3 Tage besteigen.

Wir wechseln das Gefährt und fahren nun mit einem Jeep weiter durch den dichten Dschungel des Arusha-Nationalparks und können, die wie für uns ins Rampenlicht gestellten Tiere sehen: Giraffen, Zebras, Affen und Büffel.
Endlich um 12 Uhr erreichen wir das Momella Gate und unser Team ist vollständig, denn der Ranger Ben hat sich uns, wie erwähnt, angeschlossen. Ich bin gespannt, wie sich meine neuen Wanderschuhe laufen, ich hatte sie noch nie beim Wandern an, nur zum Eingewöhnen bin ich etwas spazieren gelaufen. Neben den Schuhen habe ich meine Trekkinghose, ein kurzes Trekkinghemd und eine Windjacke an. Der Himmel sieht bewölkt aus, es regnet leicht und manch einer zieht die Regensachen über. Noch vor dem Aufbrechen füllen wir unsere Trinkbehälter mit Wasser. Ich habe ein 2 Liter Camelbak Trinksystem und eine 1 Liter Aluflasche mit.

Ich freue mich, dass es endlich losgeht.
Mit blassen Gesichtern und sauberer Kleidung beginnen wir unsere Wanderung auf einer weiten Wiese, entlang eines Baches. Am Ende dieser weiten Landschaft sieht man etwas Dschungel, aber von einem 4562m hohen Berg ist nichts zu sehen. Wie Mahnmale oder schlechte Omen liegen zerfressene Büffelschädel am Boden, als würde hier eine Geschichte von Karl May erzählt werden. Jeder weiß aber, dass ich die Geschichte hier erzählen werde!

Wir laufen sehr langsam und gleichmäßig. Der Ranger geht voran, alle anderen laufen hinter ihm, jeder so schnell er will und unser Team ist weit verteilt in der Ebene. Auch Büffelherden schmücken das Landschaftsbild. Wir sind die absolut Einzigen in der ganzen Landschaft. Es wird geredet, man lernt sich und die Träger kennen.
Die Natur riecht frisch, Nebel hängt wohin man schaut. Die feuchte Luft lässt das Grün der Bäume noch saftiger erscheinen. Manchmal gehen wir auch mitten durch Wälder auf nassen Waldböden und müssen aufpassen nicht zu rutschen. Wir hüpfen von Stein zu Stein und überqueren Flüsse. Nach ca. 2 Stunden machen wir eine Pause und schauen erwartungsvoll in unsere Lunchbox: Banane, Saft, Schokolade und Gebäcke füllen die Schachtel aus.
Nach erreichen der 2000m Grenze, fühlt sich Annett nicht so wohl und hat Probleme mit ihrem Kreislauf. Bert und ich gehen alleine etwas vor. Wir erreichen einen Zauberwald, wie ich ihn nenne. Ein mit Moos bewachsener Waldboden federt weich unter meinem Schritt, auch die Bäume sind schick mit Moos bekleidet. An den Ästen hängen lange, von der Sonne durchscheinende grüne Haarbüschel, die eine magische, wohltuende Atmosphäre schaffen. Wir sehen Pflanzen, die nur hier wachsen, die “Red Hot Poker”, das sind Pflanzen mit feuerfarbigen Blüten, die uns den Weg leuchten wie Laternen.

Bert und ich verstecken uns leise hinter Bäumen, wir haben ein junges Reh gesehen. Es sieht uns neugierig und still an, ohne Angst zu zeigen.
Nach weiteren 2 Stunden leichtes Wandern lichtet sich der Wald und wir erreichen das Camp um 16 Uhr. Das “Mirakamba Hut” Camp ist eine kleines Dorf auf 2514m und besteht aus fünf gepflegten Hütten. Ein Wasserhahn tropft in die Natur, eine Wäscheleine lässt Kleidung trocknen, an einem Tisch auf einer Bank sitzen Afrikaner, wahrscheinlich die Träger eines anderen Teams. Wir bekommen ein Zimmer mit 2 Hochbetten, wie in einer Jugendherberge zugeteilt und packen unsere Sachen aus. Manchmal setzt sich die Sonne durch und blinzelt durch den bewölkten Himmel hindurch.
Um 17 Uhr ist Teatime. Dennis kommt mit Keksen, Teebeuteln und heißem Wasser in den Aufenthaltsraum, vorne in die Hütte. Wir gehen anschließend alle gemeinsam spazieren, gehen bergauf durch die tolle Waldlandschaft, die “Red Hot Poker” leuchten auch in der Dämmerung unentmutigt. Wir steigen auf einen Hügel und ich suche nach Elfen in der Ferne, sage es aber niemanden. Dort drüben ist der Gipfel, man kann ihn gut sehen, obwohl er sich hinter einem zerfetzten Nebelvorhang verstecken will.

Um 18 Uhr gibt es Abendessen. Spagetti, Fleischsoße, dazu Früchte und Tee. Außer uns sind noch zwei oder drei andere Reisegruppen hier, alle aus Deutschland. Den Abend verbringen wir mit Kartenspielen. Solche gemütlichen Abende werden wir wohl auf den Kilimanjaro nicht haben, dort müssen wir ja in Zelten schlafen. So eine Hütte ist viel bequemer, man kann sich im Stehen anziehen und hat einen Tisch zum Essen. Die Stehtoiletten im Toilettenhaus sind stinkend und schmutzig, aber ich zwinge mich dennoch zu einem Besuch. Um 21:30 Uhr wird das Licht ausgemacht und wir gehen in unser Zimmer. Das erinnert mich an die Hüttenausflüge in der Schulzeit, denn das dauert eine Weile bis endlich alle fertig sind. Wir reden noch etwas, dann schlafen fast alle ein.

Vor lauter Aufregung und das Gefühl, nicht richtig atmen zu können, kann ich noch nicht einschlafen. Weiß aber, dass es in der niedrigen Höhe noch nicht sein kann und mich da nur hineinsteigere. Träume sogar vom Kilimanjaro, von Atemnot und Höhenkrankheiten, so dass ich kein Auge mehr zu mache. Dankbar bin ich, als ich mich Bert beim Rausgehen zum Wasser lassen, anschließen kann. Es ist sogar richtig warm draußen und der helle fast volle Mond vertreibt die Schwärze im Camp. Eine wunderschöne Nacht.

19.August 2005 2.Tag Little Meru

Als der Wecker um 7 Uhr klingelt, habe ich vielleicht 4 Stunden geschlafen. Frühstück ist wieder im vorderen Hüttenbereich. Die AFROMAXX Tischdecke ist gedeckt, als der Toast, die Marmelade, der Honig, die Erdnussbutter und das heiße Wasser für den Tee von Dennis angetragen wird. Unsere Trinkbehälter für unterwegs geben wir ab und erhalten sie vor dem Aufbruch mit heißem Wasser zurück. Mit den afrikanischen Jungs hat man recht wenig zu tun, ich weiß nicht mal in welchen Hütten sie schlafen.

Erst um 9 Uhr brechen wir auf, vorher hieß es packen, packen, immer wieder packen. Ich trage wieder mein kurzes Trekkinghemd mit der Windjacke darüber. Über meinen Rucksack streife ich auch einen Regenschutz, denn es nieselt und das Wetter sieht nicht gerade freundlich aus. Nebel und Feuchtigkeit streifen mit uns tapfer durch den Regenwald. Eine einfache Treppe aus Ästen und Brettern führt uns hinauf. Gestern schrieb ich noch von einem bezaubernden Märchenwald. Der Wald heute sieht eher aus wie verhext. So unheimlich und vernebelt starren mich die knochigen Bäume an. Zugedeckt unter langem Moos wirken sie gespenstisch und traurig. Mit langsamen, gleichmäßigen Schritten folgen wir dem Ranger, als zeige er uns zum ersten Mal, wie man richtig geht.

Als wir die Drei-Tausend-Meter-Grenze erreicht haben, stehen wir mitten in den Wolken. Nach 2 Stunden laufen machen wir eine Pause, wir haben den verhexten Wald hinter uns gelassen und blicken nun in das Tal des Mount Merus, das völlig in den Wolken liegt und somit keine Sicht auf den Kraterkegel möglich ist. Aber wir sehen zum ersten Mal den großen hohen Kraterrand. Da irgendwo hinter den Wolken ist der Gipfel, er versteckt sich mit seiner schlechten Laune, wie es aussieht, als wolle er nicht bestiegen werden. Wir öffnen die Lunchboxen und genießen die herrliche Landschaft und ebenso die wenigen Sonnenstrahlen.

Noch zwei Stunden liegen vor uns zum nächsten Camp. Nach der Pause wird es nun immer trockener, zuerst der Boden und dann verschwindet der Wald. Nadelbäume und grüne Wiesen, wie im Allgäu, tauchen auf, bis es schließlich nur noch strohige Büsche auf dieser Höhe leben mögen, aber auch sie sind von dem “Spanischen Moos” befallen.
Nach einem super tollen Wanderausflug erreichen wir nach 14 Uhr die “Saddle Hut” auf 3500m. Tee mit salzigem Popkorn stärkt uns. Wir sitzen auf einer grünen Bank an einem grünen Tisch. Auch dieses Camp macht einen sauberen und ruhigen Eindruck. Unsere Säcke lassen wir erst einmal links liegen und wärmen uns in der Sonne.

So um 15 Uhr machen wir einen Ausflug zum “Little Meru” auf 3820m. William zeigt uns den Weg und führt uns zum kleinen Merugipfel. Das Aufsteigen und spätere Absteigen ist eine gute Möglichkeit den Körper an die Höhe zu gewöhnen. Die fünf Hütten unseres Camps werden immer kleiner, die Sicht wird immer besser und es ist angenehm warm.
Weniger als eine Stunde brauchen wir für den Aufstieg des “Little Merus”. Die Aussicht auf das Wolkenmeer ist grandios und sogar den Kilimanjaro sehen wir weit in der Ferne etwas aus dem Himmel herausragen.

Auch können wir den weiten Weg zum großen Merugipfel (der immer noch hinter einer Wolke versteckt liegt) erahnen, der uns heute nach Mitternacht erwartet.
Wir wissen noch nichts über die Route, auch nicht, was auf uns zukommt. Die letzten beiden Wandertage waren für mich einfach zu meistern und ich weiß, dass der Meru verdammt böse und unbezwingbar aussieht, aber das werden wir ja sehen.
Wir lassen uns viel Zeit, machen Gruppenbilder und genießen die Sonne. Auch eine andere Reisegruppe ist mit uns hier oben. Bevor es dunkel wird, steigen wir wieder zum Camp hinunter, von der Höhe merke ich nichts, aber ich bin müde von den 5,5 Stunden Laufen.

Um 18 Uhr gibt’s Huhn, Reis und Gemüse zum Abendessen.
Um 19 Uhr gehen wir schlafen, es ist wieder schön warm im Schlafsack, diesmal bin ich der Einzige, der tief und fest bis 1 Uhr schläft.

20.August 2005 3.Tag Gipfel

1 Uhr Wecken; 1:30 Uhr Frühstück. Müde und nervös wird abwechselnd gepackt und gefrühstückt, damit wir uns nicht gegenseitig in dem kleinen Zimmer –blockieren. Zum Frühstück gibt es 7 Kekse und natürlich Tee.

Um 2:15 Uhr ist dann endlich jeder fertig und wir betreten die Tür ins Freie. Der Ranger Ben und der Koch Heaven begleiten uns, Ben läuft vorn, Heaven am Schluss der Schlange.
Es ist eine wunderschöne Vollmondnacht, es ist so hell, dass wir nicht einmal unsere Stirnlampen brauchen. Ich bin noch müde vom Schlafen, fühle mich aber fit, laufe brav an meinem Platz im Gänsemarsch mit den anderen. Ich höre wieder Musik mit meinem mp3-Player, er lenkt mich etwas ab von den lähmenden Gedanken. Ja, viele Gedanken rasen mir durch den Kopf, es ist nicht gerade gemütlich durch Nacht und Kälte zu wandern, aber ich bin tapfer. Nach ungefähr 20 Minuten schaue ich auf die Uhr und die Überlegung, dass wir laut Tourenbeschreibung, heute 15 Stunden laufen werden, gefällt mir gar nicht. Jeder Schritt wird durch diese 15 kommenden Stunden gebremst, würde gerne aus Faulheit umdrehen. Es wird wenig gesprochen, Stille, als besteigen wir den Meru heimlich und nachts, damit er uns nicht bemerkt und abschütteln kann. Wir machen eine kleine Pause auf dem Rhinopoint auf 3800m, sie kommt mir gerade recht, ich ziehe mir was über, es ist doch sehr frisch und windig. Ich haue mir schnell noch ein Müsliriegel rein und es geht weiter.

Nun kann das Laufen genießen. Der Weg ist sehr abwechslungsreich, geht steil hoch und wieder runter, man läuft auf einem wilden brüchigen Kraterrand. Auch der Boden ist vielfältig, mal rutschiger Schotter und mal gefrorene Felsen. Ja, der Meru ist unfreundlich zu seinen Bewanderern und Bewunderern. Aber; unbeschreiblich tolle Landschaften, es ist genauso wie ich mir immer eine Mondwanderung vorstelle. Die dunkelgraue hüglige Landschaft, die langsamen schweren Schritte, dass tiefe Atmen und die Ruhe. Eine andere Reisegruppe ist noch unterwegs, in der Ferne sehe ich ihre schwarzen Silhouetten an einem Bergrand, auch sie laufen im Gänsemarsch. Manchmal führt uns der Weg, den wir ohne Guides niemals finden würden, über steile Hänge die seitwärts in schwarze Tiefen abfallen. Eigentlich bin ich froh, in der Nacht nichts von dem Unheil zu sehen. Das Grau in der Dunkelheit wirkt so unwirklich, wie sonst keine andere Farbe. Angeseilt sind wir natürlich auch nicht und so laufen wir vorsichtig auf den taureifen Steinen.

Wenn durch das ständige Trinken, die Blase drückt, bremst man etwas und stellt sich an die windgeschützten Felsen, der “Abschluss”-Guide überholt nicht, sondern wartet brav. Für Annett, unsere Frau im Team, ist die die ganze Angelegenheit etwas schwieriger einen geeigneten Platz zu finden, ohne die Gruppe zu verlassen und ohne Abzustürzen.
Wir erreichen 4000 m Höhe.

Nun sind gerade mal 2 Stunden geschafft und wir laufen weiter auf Lavasand, links und rechts geht es steil hinunter. Es wird natürlich nicht fotografiert in der Dunkelheit, aber die Erlebnisse dieser Vollmondnacht werden uns sicherlich in Erinnerung bleiben. Die abwechslungsreiche Strecke geht stark auf die Muskeln. Das Auf und Ab und der anstrengende Weg, denn mal muss man senkrechte Stufen hochklettern, mal muss man einen Lavasandberg bezwingen. Wenn wir nicht gerade an einem Hang laufen, sondern auf dem Grat, drückt ein starker Seitenwind gegen meine “Windstopper” Ausrüstung, die ideal ist und mir ein optimales Körperklima gestattet. Ich trage ich einen Fliespulli, eine Flieshose, eine Regenjacke, eine elastische Trekkinghose und eine wärmende Mütze, sowie Handschuhe und Schal. Langsam schwindet die Kraft, ich habe nicht die leiseste Ahnung wo das Ziel ist und wohin uns der Weg bringt. Der Weg des Merus gibt einem das Gefühl, als schlängle er sich absichtlich von der linken zur rechten Seite des Kraters, um uns zu verwirren. Ja, der Meru ist unfreundlich. Als wir gerade an einem Hang auf der linken Seite entlang stolpern, machen wir Pause, um das einzigartige Szenario zu betrachten.

Hinter dem gigantischen Kilimanjaro steigt die Sonne empor und Strahlen des Lichts und der Wärme schießen durch ganz Afrika, wie es scheint. Wir sehen in dem nun wolkenlosen Tal, den kleinen Kegel des inneren Kraters und den Weg auf der äußeren Kraterwand, den wir heute schon überstanden hatten. Es wird hell und mein Wille, endlich zum Gipfel zu kommen, wird immer stärker. Bert will weiter, ich folge ihm, es kann nicht mehr weit sein, denke ich mir. Die anderen bleiben hier und ruhen sich noch aus. Wir klettern links und rechts im Zick-Zack immer weiter nach oben, noch ist das Ziel nicht in Sicht und immer wieder denke ich. dass wir da sind, dann geht es wieder runter und nochmals hoch. Inzwischen ist es hell und ich sehe die verfrorene Landschaft, die Steine sind unter einer glatten Frostschicht, meine Kräfte schwinden.

Wir sehen nun auch die grünen Markierungen für den richtigen Weg. Ich kann nicht mehr, Bert legt ein enormes Tempo zu, ich bleibe zurück, setze mich auf einen kalten Stein und schaue den steilen Abhang hinunter bis ins Tal, welches im Schatten des Merus liegt. Ich bin alleine, Bert ist irgendwo da oben, wahrscheinlich ist er schon auf dem Gipfel, die anderen sind noch hinter mir. Ich versuche langsam aufzustehen und den Markierungen zu folgen. Meine Beine zittern vor Schwäche. Der Weg ist rutschig und manchmal kann ich nicht auf Anhieb den einfachsten Kletterweg ausmachen, ich habe nicht die Erfahrung wie die Guides. Sie erkennen gleich, wo man am besten laufen kann. Mühsam und wankend klettere ich nun quer durch die Landschaft und hoffe, nicht abzurutschen. Dann, schließlich sehe ich den Gipfel, nun aber wirklich. Bert winkt zu mir herunter, ich bin erleichtert und schwach und bedauere, dass dort oben kein Bett steht, in dem ich mich fallen lassen kann. Um 7:15 Uhr, nach 5 Stunden laufen erreiche ich den Gipfel des Mount Merus auf 4562m.

Für einen Moment bin ich mit Bert ganz allein auf dem Gipfel mit der Tansanischen Fahne und schaue andächtig ins Tal hinunter. Wir haben ihn besiegt, schnell und unbemerkbar, haben wir uns hoch geschlichen, haben den gefährlichen Weg trotz seiner trügerischen Hindernisse beschritten. Bert trägt sich in das Gipfelbuch ein. Den Augenblick, versuche ich mit Fotos festzuhalten Dann wird es voll auf dem schmalen Gipfel, Annett und Veit und die andere Reisegruppe, die wir beim Sonnenaufgang überholt haben, erreichen das Ziel. Es ist nicht einmal Platz zum Hinsetzen und man muss auf jeden Schritt aufpassen, sonst fällt man tief (mindestens 1000m); Die Sonne scheint strahlend über die wolkenlose Gegend.

Bert geht mit dem frierenden Ranger nach unten. Ich warte bis Annett und Veit wieder nach unten wollen und gehe mit ihnen. Es geht ihnen beide nicht so gut, sie leiden unter der Höhe und plagen sich mit Durchfall, Übelkeit und Kopfschmerzen. Gemeinsam klettern wir wieder hinunter, durch eine Wolke, die sich unter dem Gipfel verfangen hat, es ist neblig und kalt. Es sind alle gut drauf, da es jetzt geschafft ist und da wir uns alle so schwach fühlen, dass nichts anderes mehr hilft als gut drauf zu sein. Auch ich fühle mich erleichtert und viel besser, als vor dem Gipfelaufstieg, habe inzwischen auch zwei Powerriegel und einen Müsliriegel verschlungen. Der Pfad zurück ist genau so lang und ewig wie der hinweg, nur sieht er jetzt im Licht ganz anders aus und viel gefährlicher.

Steinwüsten und Vulkanlandschaften zu sehen ist schon ein einmaliges Erlebnis. Heaven ist bei uns und zeigt uns immer den besten Weg, sobald ich mal vorlaufe, verliere ich entweder die grünen Markierungen oder muss gewagte und anstrengende Klettermanöver durchführen, um wieder auf den richtigen Weg zu kommen. Langsam verliere ich die Lust am Laufen, wir werden auch immer langsamer und machen viele Pausen, in denen wir das Fotografieren nachholen, was beim Hinauflaufen nicht möglich war. Manchmal setzen wir uns einfach hin und stöhnen, unser Guide wird schon ungeduldig, weil er auf uns warten muss. Er war aber Annett und Veit eine große Hilfe, als es ihnen nicht so gut ging und er sie bis zum Gipfel immer wieder motiviert und unterstützt hat Als der Weg einfacher wird, verlässt uns Heaven und spurtet vor, er weiß, wir kommen alleine zurecht. Es ist sogar sehr warm geworden, ich habe keine Lust anzuhalten, um mir ein paar Kleidungsstücke auszuziehen. Das Trinkwasser ist sehr kalt, dass ich lieber darauf verzichte. Durch die trockenen Wege werden unangenehme Staubwolken aufgewirbelt. Kurz vor dem Erreichen des Camps stellen sich auch bei mir Kopfschmerzen ein. Ich bilde mir ein, die Kopfschmerzen habe ich einem Hitzestau zu verdanken (später aber war mir klar, dass das höhenbedingte Kopfschmerzen sind, die bei mir immer erst beim Abstieg auftreten).

Juhu, endlich ! Wir erreichen das Camp, eine ganze Stunde nach Bert, um 11:15 Uhr. Doch das ist noch nicht alles an diesem Tage, es geht noch weiter, wir müssen noch ganz nach unten. Wir haben aber 2 Stunden Pause, bekommen ein Frühstück: Suppe, Gurken, Wurst und Ei. Neidisch schaue ich zu der anderen Reisegruppe, die einen großen Berg Pommes mit Hähnchen bekommt. Bert, der Gipfelstürmer, gibt eine Runde Schokolade aus. Und Veit, der heute Geburtstag hat, spendiert eine Cola dazu. Nach dem lästigen Packen geben wir William, die vorher vereinbarten Trinkgelder zum Verteilen. Jeder von uns gibt 50$ Trinkgeld. Der Ranger bekommt 50$ und die restlichen 150$ werden unter den anderen aufgeteilt.

Die Motivation ist natürlich am Boden, denn wir müssen den ganzen Weg nun wieder zurücklaufen. Zwei weitere endlos lange Stunden wandern wir zurück zu der “Mirakamba Hut”, unser erstes Camp. Es ist 15 Uhr, Lunchpause und Halbzeit. Wir können alle nicht mehr und sind froh, wenn wir nicht mehr laufen müssen. Und wir haben Glück! Ein Träger kann nicht mehr weiter, wer das ist, aus welcher Gruppe und aus welchen Gründen, bleibt unklar, aber es steht für uns ein Jeep bereit, der uns ganz nach unten bringt. Wir stellen uns alle auf die Ladefläche und halten uns an Stangen fest. Der Jeep fährt durch den Nationalpark in das so oft hineingeblickte Tal. Wir sehen schwarzweiße Affen, die an Bäume hängen, Rehe und Büffel. Die wilde Jeepfahrt geht durch Pfützen und unwegsames Gelände, als wäre ich auf einer Camel Adventure Tour.
Nach einer Stunde Fahrt sind wir wieder am Gate, wo alles anfing und von dort aus sind es noch mal 1,5 Stunden mit dem Minibus, zurück zur AFROMAXX-Basis.
Endlich geschafft! Ich genieße die Dusche und freue mich, dass ich die Tour gut und ohne Blasen, wenn auch mit etwas Rückenschmerzen, überstanden habe. Ich freue mich, dass ich morgen einen Ruhetag habe und ausschlafen kann. Morgen werden die anderen aus meinem Kilimanjaro-Team anreisen, ich bin gespannt und hoffe, dass mir ein Tag Ruhe ausreicht, um mich zu regenerieren.
Was für ein toller Ausflug.

 

22.August 2005 1.Tag Machame Camp

Die Tour auf dem Kilimanjaro über die Machame Route beginnt nach gerade mal einem Tag Erholung nach unserer spektakulären Gipfelbesteigung des Mount Merus, aber das ist eine andere Geschichte, die hier nicht erzählt werden soll. Um 7 Uhr klingelt mein Wecker. Es ist wieder viel Packarbeit angesagt, mein Gepäck welches am Flughafen 17 kg wog und mein Handgepäck von etwa 8 kg, muss nun umgepackt werden. Manches lasse ich hier im Hotel, weil es dreckig ist, oder für ein Leben nach der Kilireise bestimmt ist. Der Kili ist zu diesem Zeitpunkt, ein Berg, von dem ich las, von dem ich hörte, dass schon einige ihn bestiegen hatten. Von seiner Route weiß ich nichts, auch die Tagesetappen will ich auf mich zu kommen lassen.

Seit ich sechzehn war, als auch mein Vater und mein Onkel den Kilimanjaro auf der Machame Route bestiegen, träumte ich davon einmal hier zu sein. Das war aber zu Zeiten als die Machame-Route noch sehr unbekannt war und eigentlich die Marangu-Route die Standard-Route war. Zum meinem 30ten Geburtstag im Jahre 2005, erfüllte ich mir nun diesen Wunsch und schenkte mir selber diese teure Reise. Vom Kilimanjaro, den Berg, den ich vor hatte zu besteigen, wusste ich kaum etwas. Klar, gehörte das Lesen vieler Berichte im Internet zu meinen Vorbereitungen. Dennoch weiß ich wenig. Ich weiß schon immer wenig, nicht nur was den Kili betrifft, auch das Bergwandern in meiner Heimat ist für mich ein fast einmaliges Erlebnis von dem ich berichten kann. Nun ja, mein Team ist da vielleicht besser vorbereitet…

Während ich hier so ausschweife, ist inzwischen schon mein 70-Liter-Rucksack gepackt und im klassischen US-Army-Seesack verstaut. Diesen Sack (der ca. 12 kg wiegt), ich gebe es zu, werde ich nicht selber tragen, sondern ein Träger, in Zukunft liebevoll “Porter” genannt. Der kleine Rucksack hingegen mit 4 kg wird mein eigenes Gepäck sein. Ein letztes herrliches Hotel-Frühstück erwartet uns, mit richtigen Kaffee, Eier, Toasts, Marmelade, Käse, Wurst, Orangensaft. Ich genieße das Frühstück sehr. (Hätte ich gewusst, was auf mich zukommt, hätte ich es sogar noch mehr genossen, alleine das Sitzen auf Stühlen hätte ich genossen.) Das ausschließlich deutsche Team bestand aus weiteren 7 Personen. Das Ehepaar Veit ( 32 ) und Annett ( 26 ), die hier ihre außergewöhnlichen Flitterwochen verbringen, Bergsteiger Manfred ( 42), Marathonläufer Stefan ( 37 ), Ex 1.Liga Volleyballspieler Bert ( 40 ), Bundeswehr Kampftaucher Jochen ( 53 ) und sein Kumpel Peter ( 45 ), die gute Seele, und schließlich ich, der Informatiker (30), Kaffeetrinker, Kinogeher und leidenschaftlicher Hobbyjogger (30).

Um 8:30 Uhr, kurz vor der Abfahrt, lernen wir unsere Führer kennen, in Zukunft liebevoll “Guides” genannt. Das waren Safiri, Praygod , James und William.
Der Minibus ist randvoll mit uns, unserem Gepäck und guter Laune. Immerhin dauert die Fahrt zum Machame-Gate eine halbe Stunde einschließlich eines Zwischenstopps bei einer kleinen weißgekachelten Hütte mit hängenden blutenden, rohem Fleisch an der Decke. Nachdem eine Tüte Fleisch für uns besorgt wurde, ging es auch schon weiter, bis zu jenem Tor mit dem spitzen Dach und den befestigten Buchstabenfolgen: “Wellcome – Kilimanjaro National Park Machame Gate”. (Das zweite L in “Welcome” wurde nachträglich übermalt.)

Außen vor dem Gate des Nationalparks, stehen sie, die Porter, die aufeine Anstellung hoffen. Während wir uns mit Passportnummer und Name in ein Gästebuch registrieren, kümmern sich unsere Guides um das Personal, sprich unsere Träger. Wie viele zu unserer Mannschaft gehören ist mir unklar, ich zähle in dem Durcheinander mit Guides 15 Personen. In kleinen Haufen werden unsere Sachen in gerechte Portionen aufgeteilt. Die Sachen, die geschleppt werden müssen, das sind: 6 Zelte, 2 Gaskocher und viele Tüten, Schachteln und Eimer mit Essen für die nächsten 6 Tage. Und außerdem noch die 8 großen Seesäcke der Touristen mit Schlafsäcken, Isomatten und den warmen Klamotten für den Gipfeltag. Jeder Porter trägt ein Gewicht von max. 25 kg, eine harte Arbeit und dennoch ist es ein Job, der nicht schlecht bezahlt wird.

Es geht hier entspannt zur Sache, ich bin seit der Mount Meru Tour, einige Tage zuvor, noch nicht ganz regeneriert, ich fühle mich schläfrig und verspüre große Lust faul vor einem Fernseher zu sitzen, Bier zu trinken und eine Dokumentation über eine Kilibesteigung anzusehen. Nun, ich mache das Beste daraus. Diese Route zum Machame Camp, sollte ja schließlich die schönste Strecke der Besteigung sein, mit schöner Vegetation und weiter Sicht. Sie ist 18 km lang und geht von 1800m auf 2980m. Das Wetter ist sehr angenehm, der Boden meistens trocken. Ist das nicht seltsam? Man durchquert den Regenwald und es regnet nicht? Ebenso seltsam ist es, dass kein Tier zu sehen, geschweige denn zu hören ist? Der gut ausgebaute Weg lässt es erahnen, wir sind nicht die ersten Touristen. Der Wald sieht freundlich aus, alles lacht uns entgegen, vor allem die Sonne, die durch Bäume hindurchscheint, als präsentiere sie diesen Botanischen Garten mit allem Stolz.

Es war Kennenlernen angesagt. Mit diesen Jungs und Mädels werde ich also die nächste Zeit verbringen und wer weiß, vielleicht wird mich jemand von ihnen hinunter tragen, vielleicht werde ich einem das Leben retten, vielleicht wird aber auch alles ganz normal. Manfred hat eine Videokamera dabei und ist fleißig am filmen, läuft vor, stellt sich an den Wegesrand und hält die Kamera auf uns beim Vorbeigehen. Ob er mit dem Filmen und der Akku bis zum Gipfel durchhält, frage ich mich.

Wasser und eine Lunchbox erhielten wir noch im Hotel, während des Wanderns ist also keine zusätzliche Wasserquelle verfügbar. Ich habe 3 Liter Wasser dabei, 2 Liter im Camelbak Trinksack und 1 Liter in einer Aluflasche. Ich trinke immer gerne und viel. Viel trinken ist für mich also keine Qual und unterstützt die Höhenverträglichkeit beträchtlich. Ein Trinksystem, ein Trinksack mit Trinkschlauch, hat sich als sehr geschickt herausgestellt, da jedes Rucksackabnehmen einfach nur lästig ist. Gleichmäßig, langsames Gehen und wenige Pausen, ist der Laufstil des Kilimanjaros, auch schon auf den untersten Etappen. Die vier Leute im Team, die vorher schon auf dem Meru waren, sind alle etwas ruhiger, wissen, dass Eile und Hetze nichts bringen. Umso mehr Tage vergehen, desto besser wird unser Team eingespielt sein.

Träger überholen uns oft auf dem Weg und grüßen mit einem freundlichen “Jambo”.
Nach kurzen fünf Stunden leichtem Wandern, erreichen wir um 17 Uhr zum einen die Dschungelgrenze und zum anderen auch das Camp. Die Natur zeigt uns einen weiten Himmel, grüne Büsche, Hecken und Sträucher, schon jetzt eine seltsame Vegetation, die ich nie zuvor sah.
Unsere Zelte sind schon aufgebaut, das sind: drei 3-Mann-Zelte, ein 2-Mann-Zelt, ein etwas größeres Gemeinschaftszelt und zwei kleine Koch- und Vorratszelte. Ich teile mit Stefan und Bert ein Zelt. Es stehen auch viele andere Zelte hier, wäre das eine andere Umgebung, könnte man hier bestimmt viel Spaß und eine tolle Partycampingatmosphäre haben, Bohnen essen, Menschen kennen lernen und Gitarre spielen am Lagerfeuer etc..

Peter vermisst leider noch immer seinen Reisesack. Er ist vielleicht aus Versehen unten geblieben.
Kaum ist mein Schlafsack abgerollt und meine Isomatte aufgepumpt (von wegen “selbstaufblasend”) gibt’s auch schon Tee und salzigen Popkorn im Gemeinschaftszelt. Zur besseren Höhenanpassung, werden wir täglich einen Spaziergang machen. Als wären wir noch nicht genug gelaufen, steigen wir vor dem Abendessen weitere 100 m auf. Wir sehen die Sonne untergehen und den noch groß und mächtig wirkenden Mount Meru. Er badet sich in einem dunstverschleierten Horizont und feiert mit uns den rosa farbigen Himmel. Den Kilimanjaro Gipfel selber sieht man nicht. Obwohl mich dieser Spaziergang eine gewisse Überwindung kostete, wurde er doch einem wundervollem Erlebnis.

Der “Tisch” in unserem Gemeinschaftszelt ist gedeckt, sogar Kerzen flackern auf der AFROMAXX-Tischdecke. Die Tasche von Peter ist inzwischen auch angekommen. Wir nehmen Platz auf den dünnen Isomatten. Es ist nicht wirklich bequem und daran werde ich mich auch nicht gewöhnen. Es ist eng und hart, aber das Essen ist vorzüglich, so wie die Stimmung, die Abenteuerlust und das gemeinsame Erleben. Es gibt erst Suppe und Brot, dann Kartoffeln, spinatähnliches Gemüse, Fleischsoße und schwarzen Tee, wasserlöslichen Kaffee oder wasserlöslichen Kakao. Wir sitzen gemütlich eine ganze Weile im Zelt, bis unsere Guides uns darauf aufmerksam machen, lieber schlafen zu gehen. Wir hätten noch stundenlang reden können. Jochen unterhält uns prächtig mit Erzählungen über seinen Job in Polen.

Hin und wieder kommt das Thema auf, “Schaffe ich es, oder schaffe ich es nicht!”. Für mich macht es keinen Sinn etwas einzuschätzen, was ich nicht kenne, da ich überhaupt nicht weiß, was mich erwartet und ich so etwas noch nie gemacht habe. Warum sollte ich es wissen, ob ich es schaffe oder nicht? Eigentlich bin ich zuversichtlich, deshalb halte ich mich bei solchen Diskussionen zurück, entweder ich schaffe es oder nicht – So einfach ist das. Natürlich würde es mich richtig ärgern und ich würde es mit 40 noch mal versuchen. 40 soll ja angeblich auch das Alter mit der höchsten Erfolgsquote sein. Wenn ich mir momentan über etwas Sorgen mache, dann sind es ausrüstungstechnische Unklarheiten. Habe ich das Richtige dabei? Wird es nicht zu kalt werden mit meiner Windjacke, meinem Schlafsack oder der Isomatte? Es ist inzwischen schon merkbar kalt geworden draußen. Kalt aber bezaubernd strahlt uns der Himmel seine Sterne entgegen. Veit sucht den Himmel nach seinem Lieblingssternenbild “Kreuz des Südens” ab und wird fündig.

Es ist 21 Uhr. Mein Schlafsack ist sehr warm. Die lange Fliesunterwäsche hätte ich mir auch sparen können, denn eigentlich ist es zu warm. Nachdem ich mein Tagebuch geschrieben habe, schlafe ich sofort ein. Die ganze Nacht höre ich nichts, merke nichts und muss nicht auf die Toilette. Zur selben Zeit im Zelt Nummer 1 bei Jochen, Peter und Manfred. Leise und vorsichtig mit Geräuschen, die jemand macht der keine Geräusche machen will, öffnet Manfred das Zelt, um sich seinen Tee zu entledigen. Aber plötzlich! Jochen wird wach. Manfred flüstert sein Vorhaben. Jochen setzt sich auf und gibt Peter einen heftigen Ruck, der ihn aus seinem Traum stößt. “Peter, Los wir gehen P….. .” Gemeinsam sind sie dann in die kalte, dunkle, dennoch romantische Nacht gegangen, um ihren Tee im Team auf den Tau zu lassen, mit Blick auf die Sterne, die vielleicht zum “Kreuz des Südens” gehören .

23.August 2005 2.Tag Shira Camp

Die Tour heute, wird uns zum Shira Camp auf 3840m führen. Um 7 Uhr bin ich wach. Jeder, der drei großen Männer, hat die Nacht im Zelt gut überstanden. Ich habe außen geschlafen, das war mir letzte Nacht wichtig, in Zukunft ist es mir dann doch egal, und wir werden einfach abwechseln. Um 7:30 Uhr gibt es Frühstück. Ich hätte doch im Warmen bleiben sollen, anstatt aus dem Zelt zu kriechen und die halbe Stunde im Freien auf das Frühstück zu warten. Es ist kalt, die Sonne erhellt das Camp noch nicht. Jeder bekommt eine grüne Plastikschüssel warmes Wasser, auf den mit Tau gefrorenen Boden, vor dem Zelt gestellt. An den entfernt umgebenen Bergen kann man gut erkennen, wo die Sonne bereits die Dunkelheit und die Schatten verdrängt und wann sie endlich das Camp erreichen wird. Für Jochen, unserem abgehärteten Kampftaucher, der sich im Unterhemd und kurzer Hose wäscht, war die Kälte sicherlich kein Problem. Das Frühstück mit Wurst, Ei, Milch, Toast, Marmelade und Haferschleim ist wieder überraschend vielfältig. Zum Trinken sind natürlich noch 2 Tassen Tee Pflicht.

Um 8 Uhr brechen wir auf. Aber nicht nur wir! Sondern wie es scheint, auch alle anderen Teams. Es herrscht Gedränge auf den steilen Wegen. Schon nach kurzer Zeit merke ich, dass ich zu warm angezogen bin. Ein kurzes Trekkinghemd ist genug. Knochige Bäume, so dünn wie krumme Äste sind mit trockenem Moos bedeckt. Grüne Büsche und andere Pflanzen leben am Wegesrand. Der Boden besteht aus trockener Erde, Stroh und Felsgestein. Die Landschaft ist toll, blickt man zurück, sieht man Täler und Hügel, bis zum diesigen Horizont. Blickt man nach vorn, sieht man den Weg, wie er sich in die Endlosigkeit schlängelt. Eigentlich sieht man nicht den Weg sondern die Touristen und Träger, die einen bunten, unendlich glitzernden Fluss bilden.

An diesem zweiten Tage wird es jedem klar, “Du bist nichts besonderes, wenn du den Kili besteigst!”. Die traurige Erkenntnis, dass du hier nie dieses einsame Berggefühl erleben wirst, wie in den Alpen zu Hause, trübt etwas die Erwartung. Dennoch verteilt sich die Masse, je nach Tagezeit und Route und manchmal, aber nur manches Mal ist man sogar ganz alleine. Ich komme mit einer Chinesin kurz ins Gespräch. Sie spricht perfekt Englisch. Sie ist mit einer 16-Mann starken Truppe unterwegs, modern gekleidet und mit Trinksystem und Gore-Tex gut ausgerüstet. Als ich sie frage, was ihr höchster bestiegener Berg war, erzählt sie mir, dass sie schon auf einen 600m hohem Berg war, aber es soll auch höhere um Hongkong geben, erzählt sie stolz. Unser Team erreicht den Vesperplatz. Manche Reiseagenturen bieten den Reisegruppen sogar den Luxus an, einen gedeckten Tisch mit Stühlen vorzufinden. Unser einer macht es sich mit der Lunchbox auf einem Moos bewachsenden Stein bequem. Unsere Lunchbox, unser zukünftiges tägliches Mittagessen, besteht aus: Ananassaft, Schokolade, Gebäck, kleine Banane, Marmeladen-Toastbrot, Orange und Hähnchenkeule So sitze ich hier und betrachte die anderen, die sich auf den Felsen verteilen wie Zuckerguss auf Weihnachtsplätzchen, denn es sitzt auf jedem Felsen ein bunter Tourist.

Ich bin emotionslos und immer noch schläfrig, ich denke nicht viel, seit der Meru Tour habe ich damit aufgehört, ich laufe einfach nur noch. Und wenn ich das Bedürfnis habe, schlecht drauf zu sein, dann schalte ich einfach das Gefühl ab und laufe. Und wenn ich mich selber frage wie weit es denn noch sein kann, dann laufe ich und laufe, und laufe. Und wenn mir mal langweilig ist dann trinke und laufe ich gleichzeitig. Wegen den Touristen hast du nie das Gefühl, dass du vorankommst, dass du erkundest. Du bewegst dich einfach in einer endlosen Schlange, kein Erkunden, kein Weiter- oder Höherkommen, aber das spielt keine Rolle, ich laufe ja einfach nur und höre oft Musik mit meinem mp3-Player, um über diesen akustischen Weg vielleicht einen meditativen Rausch zu bekommen. Es geht weiter. Praygod, unserer Guide läuft voraus. William bildet das Schlusslicht. Die großen Steine, die eben noch rund waren, werden immer felsiger und sind oben mit Moos bewachsen. Die knochigen Bäume werden weniger.

Als wir unsere Höhe erreicht haben und nicht mehr an einem Hang steigen müssen, ändert sich die Vegetation noch einmal. Es wird kälter und kahler, schwarze Felsen und trockenes Gewächs verteilt sich auf der nun flachen Ebene. Der Kilimanjaro hat drei Gipfel: Shira, Mawenzi und Kibo. Von hier aus können wir den Shira-Gipfel sehen, bzw. spitze Berge am Ende des Shira-Plateaus. Hier auf der Ebene befindet sich das große Zeltlager, zwischen buschartigen Bäumen, die vom Wind eine schicke Frisur verpasst bekommen haben. Die Wolken sehen stürmisch aus, als wir das Camp nach 4,5 h Marsch erreichen.

Unseren kleinen Tee- und Popkorn-Snack nehmen wir draußen auf Steinen sitzend zu uns, da die Wolken uns den blauen Himmel und die Sonne gerne zeigen möchten. Wieder geht es zum Spazieren, wieder habe ich keine Lust, denke darüber nach mit Peter unten zu bleiben, aber was soll ich hier am Camp schon machen? Außerdem, so ohne Gepäck etwas laufen tut auch gut und vor allem gewöhnt sich der Körper besser an die Hohe, nach dem Motto: “Gehe hoch, schlafe tief”. Wir laufen eine Stunde einen Berg hoch und haben eine Aussicht auf das Shira-Plateau, die sich wieder gelohnt hat. Ich sitze da und komme endlich mal zum Genießen. Eigentlich hat man dafür wenig Zeit, ist immer beschäftigt mit Packen, Laufen, Schlafen und Essen. Nun, hier kann ich endlich mal tief durchatmen und die sagenhafte Landschaft und Natur aufnehmen, verpacken und mit nach Hause nehmen.

Als wir wieder am Camp sind, beklagen einige, dass sie Kopfschmerzen haben und schon Tabletten nehmen müssen. Wir sind immerhin schon 3840m hoch. Ich merke weder Kopfschmerzen noch eine andere Schwäche, aber das Bedürfnis auf die Toilette zu gehen. Jedes Camp ist mit stinkenden türlosen Klohütten umringt. Der Natur zuliebe sollte auch jeder Besucher diese in Anspruch nehmen. Viel angenehmer und geruchsfreier ist es, sich ein Platz unter freiem Himmel zu suchen, abseits vom Camp. Und auch hier sind die guten Plätze an den Taschentuch Markierungen der Vorgänger zu erkennen.

Nach dem Abendessen wird es schnell dunkel und kalt. Aber bevor wir uns ins Zelt verkriechen, singen unsere Porter und Guides noch freundlicherweise ein Lied. Und zwar den Kilimanjaro-Song, ein Lied, an dem wahrscheinlich kein Tourist vorbei kommt. Mit Tanzen, Klatschen und voller Hingabe bekommen wir den Song präsentiert. Nachdem Lied löst sich die Menge der Leute schnell auf, denn es ist kalt und dunkel. Mit den Trägern hat man während der Besteigung leider wenig zu tun, außer natürlich, dass sie das Gepäck tragen. Aber ich weiß nicht mal wie viele Träger wir haben. Nur die Guides sprechen mit uns, denn nur sie können englisch, sie geben uns Anweisungen, wann wir aufbrechen und frühstücken etc.

Die 3-Liter-Trinkflaschen für unterwegs, sind für mich als Vieltrinker meist zu knapp und könnte gut 4l gebrauchen, also muss ich sie mir gut einteilen und mit jdem Tropfen sparsam sein. Morgens beim Frühstück, bei der Popkornpause und beim Abendessen trinke ich auch noch jeweils 2 Tassen Tee oder Kakao. Also komme ich auf 4-5 l Flüssigkeit am Tag. Viele machen sich Brause- oder MicroPur-Entkeimungstabletten in die Trinkflaschen, mir war der neutrale Geschmack lieber. Hätte ich meine Entkeimungstabletten nicht zu hause vergessen, hätte ich sie bestimmt benutzt, obwohl es wegen dem guten abgekochten Wasser nicht nötig ist. Auch diese Nacht schlafe ich besser als jemals erwartet. Beim Probeschlafen zu Hause auf der Isomatte mit Schlafsack, konnte ich nie schlafen, da die Isomatte so schmal ist und ich ständig runtergerutscht bin. Hier schlafe ich einfach. Genauso wie ich tagsüber einfach laufe und nicht denke, so schlafe ich nachts einfach nur. Sogar das Schnarchen eines Zeltnachbars (diesmal schlafe ich in der Mitte), stört mich nicht, dank meiner Ohropax und meinem festen Schlaf.

 

24.August 2005 3.Tag Barranco-Camp

Heute werden wir vom Shira-Camp zum Barranco-Camp wandern, ohne aber den Kibo-Gipfel, weder an Höhe noch an Entfernung näher zu kommen. Ein perfekter Tag um sich an die Höhe zu gewöhnen. Von den 3840 m des Shira-Camps werden wir bis 4630 m steigen, bis wir den Lava Tower in der Mittagspause erreichen und steigen dann wieder ab auf die 3950m des Barranco-Camps. Was erwartet mich? Werde ich diesen Tag auch meistern? Wird es kalt? Wird jeder aus meinem Team fit sein? Dies sind alles die Fragen, die mir beim Frühstücken durch den Kopf gehen. Diesmal bleibe ich länger im warmen Bett und warte dort bis das Frühstück im Gemeinschaftszelt fertig ist, um nicht wieder draußen frierend herumzustehen.

Die Luft ist herrlich, die Stimmung prächtig, verschlafen schauen die Wanderer aus ihren Zelten oder stolpern mit ihren ungebundenen Wanderstiefeln durchs Camp, um einen geeigneten Platz für ihre Bedürfnisse zu finden. Schwarze Krähen beobachten das ganze Spektakel und wieder – blauer Himmel! Nach dem Frühstück schmilzt die Sonne den Reif auf Zelt und Boden davon.

Dem üblichen Packen folgt eine Diskussion. Denn heute dürfen wir an der Route mit entscheiden: Wenn alle einverstanden sind, können wir heute auch noch weiter bis zum Karanga-Camp laufen. Somit hätten wir schon einen großen Teil der Etappe von morgen hinter uns, so dass uns mehr Zeit zum Entspannen vor dem Gipfelsturm bleibt. Annett fühlt sich heute nicht so wohl und so steht fest, dass wir wie geplant, nur zum Barranco-Camp marschieren werden. Außerdem wird sie heute eine Abkürzung nehmen und nicht bis hoch zum Lava-Tower steigen. Ich weiß nicht wie die anderen darüber denken, ich bin für die Entscheidung dankbar, möchte meinen Körper nicht überstrapazieren mit einer zu langen Route.

Die Touristen-Karawane setzt sich langsam in Bewegung und geht den breiten verstaubten Steppenpfad entlang, neben einer vertrockneten Pflanzenwelt und rundlichen Felsbrocken.
Es werden T-Shirts oder dünne Fliespullis getragen. Die Stimmung ist prächtig, als wir die 4000 m Grenze erreichen und ein Gruppenfoto machen lassen. Stunde für Stunde verändert sich die Umgebung und wird unfreundlicher, bizarrer und zugleich spektakulärer. Die Steppenlandschaft ist verschwunden und zu einer Lava Steinwüste geworden. Schwarze Steine, mit orangefarbigem Moos bewachsen, dominieren das Bild.

Es ziehen Wolken auf, der Himmel ist weiß, noch kann man die Wolken nicht berühren, aber schon bald spürt man die Kälte, die von den Winden langsam aber bestimmend zu uns herangetragen wird. Und wieder heißt es “Pole-Pole”: langsam und ruhig laufen. Und schon in absehbarer Zeit sind wir im Nebel und einsam ist’s bekanntlich im Nebel zu wandern. Umso höher wir kommen, umso weniger sehen wir andere Reisegruppen. Über meinen Fliespulli ziehe ich meine Windjacke. Jochen, der gerade noch im T-Shirt war, streift sich nun sein Flieshemd über. Es ist kalt und ungemütlich, es scheint ernst zu werden, umso mehr freue ich mich auf unsere Mittagspause mit der grünen Lunchbox. Auf den Lavasteinen sitzend, essen wir unsere Hähnchenkeulen und das Toastbrot dazu. Uns wird kalt vom Sitzen und so gut die Pause auch tut, gleich geht’s weiter. Auch in den Gesichtern, der anderen sieht man die Anstrengung. Annett geht nun die Abkürzung um den Lavatower. Wir überqueren lange Lavawüsten, die immer noch beeindruckend und gleichzeitig zerstörerisch trostlos wirken.

Wir erreichen das Lavacamp, welches zu einer anderen Route gehört und für uns nur ein kurzer Zwischenstopp ist. Vier bis fünf Zelte stehen unter einem Felsen, dem Lavatower. Ein freistehender, gigantischer Felsen, wie zum Hochklettern entstanden. Wer mag, kann sich dort hinaufbemühen. Mir ist gar nicht danach meine Kraft zu verschwenden, ich möchte nicht, dass was passiert und es bringt mich auf meinem Weg auch nicht weiter. So bleibe ich mit Peter unten. Während die anderen eine halbe Stunde hochklettern, habe ich Zeit zum Nachdenken und kann genießen, schaue mir die Einsamkeit der Landschaft an und mache sie zu meinem Freund.

So still ist es hier. Die weite Landschaft, wie vollkommen und trotz der Einsamkeit, so fühlt man sich hier dennoch lebendiger als in einer Großstadt, mit all den Bewegungen und dem Lärm um sich, hier ist alles stil. Ich fühle mein Leben mit jedem Atemzug. Die Zeit vergeht langsam, ich versuche meinen Körper warm zu halten und laufe spazieren während Peter eingeschlafen ist.
Nachdem das Team wieder vollständig ist, geht es weiter, wieder hinunter, durch grobe Felsen klettern wir hindurch, immer dem Weg nach, der bis zum Horizont geht. Wieder ändert sich die Vegetation. Braune, sogar grüne Büschel wachsen in allen Ritzen zwischen den Lavagesteinen. Wir gehen weiter hinunter, hinter uns lassen wir ein mächtiges schwarzes Bergmassiv, ein Teil des Lavatowers, der von dieser Seite noch viel beachtlicher aussieht.

Viele Stunden laufen wir mit den Wolken, bis es in ein Tal hinab geht. Ein fruchtbares, gar verwunschenes Tal, mit Pflanzen, die auf der Welt nur hier wachsen. “Senecio Kilimajari” zu deutsch “Senecien”, das sind palmenähnliche Bäume, die bis zu 5 Meter hoch werden, nur einen Stamm haben, aber mehrere Baumkronen. Sie wirken wie mehrköpfige Wesen aus einer Saga. Ein Fluss fließt neben uns mit ins Tal hinab. Ein smaragdgrüner kleiner Vogel mit gebogenem Schnabel umfliegt eine “Lobelia deckenii”, ein ebenso einmaliges Gewächs des Kilimanjaros.

“Es ist nicht mehr weit”, sagt unser Guide Praygod. Wir sind alle froh, die Zelte unseres Camps am Horizont zu sehen. Auf der anderen Seite des Tals steht eine Felsenwand. Einige 100 m ragt sie zum Himmel. Dort wird uns morgen nach dem Frühstück der Weg hinüber führen, man nennt sie deshalb auch “Breakfastwall”. Es ist wunderschön hier zu laufen, doch bin ich froh, dass unsere Etappe bald zu Ende ist und wir nicht noch weiter zum Karanga-Camp müssen.

Wir erreichen das Camp, einige mit Kopfschmerzen. Wir setzen uns gemeinsam vor einer Senecie auf das sandige Gestein, stecken unsere Wanderstöcke in den Boden und nehmen den Tee und die Popkorns zu uns. Den Tee haben wir uns nach diesem langen Marsch verdient. Ein Bier wäre uns aber allen lieber gewesen. Heute gibt es zum Glück keinen Spaziergang, da wir ja bereits schon höher waren, als dieses Camp jetzt ist, also das Motto “Gehe hoch, schlafe tief” ist somit erfüllt.

Wir beziehen unsere Zelte, rollen den Schlafsack aus, blasen die Isomatte auf, wechseln die Socken und waschen die staubigen Hände, um sie für einen kurzen Augenblick wenigstens sauber zu haben, bevor wir uns im Essenszelt wieder versammeln. Es gibt einen Gemüsefleisch-Eintopf und zum Nachtisch Pfannkuchen mit Honig und Zucker und es schmeckt wirklich gut. Nach dem Essen, es ist inzwischen schon richtig frisch geworden, begeben wir uns in unsere Zelte. Zum Tagebuchschreiben und Lesen habe ich wieder keine Lust und träume vor mich hin, während mein Zeltkollege Bert, sich noch seine täglichen Notizen macht und mit der Taschenlampe das Zelt beleuchtet. Gerade noch, ihn darüber beneidend, schlafe ich auch schon ein. Der Schlafsack ist angenehm warm und ich friere mit der kurzen Unterwäsche nicht